Wie kommt man auf die Idee, für mehrere Monate mit einem Rucksack Südostasien zu bereisen? Wieso sollte man Länder erkunden, von denen man kaum etwas weiß und die unserer Zivilisation maximal entfernt sind? Ich weiß es nicht. Es war wohl eine Verkettung vieler Faktoren.

Zum einen sind Sabbaticals groß in Mode. Gefühlt hatte jeder, den ich kenne, schon mal eines oder war zumindest mit dem Rucksack unterwegs. Ich komme noch aus einer Generation, die nach dem Abitur Zivildienst leistete und dann mit dem Studieren begann. Da ich etwas länger die Hochschule besuchte, fing ich auch gleich mit dem Arbeiten an. Die nächsten zehn Jahre vergingen wie im Flug. Als Angestellter einer Agentur hat man den Vorteil, nie zu lange Urlaub am Stück genehmigt zu bekommen. Somit spart man das wenige Geld, was man verdient, und gibt es nicht für unnötige Urlaubsreisen aus. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem man die Karriereleiter nach oben geklettert ist und feststellt, dass ein Privatleben auch nicht schlecht ist. Bis zu dieser Erkenntnis hatte ich drei jeweils einwöchige Urlaubsreisen und ein paar Trips nach Frankreich gemacht. Und das in zehn Jahren.

Zum anderen, und das war der entscheidende Faktor, lernte ich Sabrina kennen. Unsere erste Amtshandlung in unserer noch frischen Beziehung war eine vorweihnachtliche Reise nach New York mit anschließendem Abstecher zu Disney World in Orlando. Für manche gefestigte Beziehung wäre dieses Programm eine unlösbare Herausforderung gewesen. Uns fiel es erstaunlich leicht. Am Ende der Reise fassten wir den Entschluss, ein halbes Jahr einfach mit dem Rucksack zu reisen. Ich wollte in die USA oder nach Australien. Sabrina hatte diese Länder bereits bereist. Sie träumte von Südostasien und schaffte es schließlich, mich dafür zu begeistern. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung von dieser Gegend. Ich stellte mir Japan und China vor. Von Laos, Kambodscha und Indonesien hatte ich noch kaum etwas gehört. Aber die Vorstellung, eine unbekannte Kultur zu erleben, faszinierte mich. Die Idee für unsere Reise war damit geboren.

Bis zur Realisierung war es noch ein langer und sehr steiniger Weg. Zunächst hatten wir die Herausforderung, in derselben Firma zu arbeiten, wodurch unsere Agentur für die Zeit eines Sabbaticals zwei Personen ersetzen musste. Unser erster Versuch scheiterte daran, dass Sabrina noch zu frisch im Unternehmen war. Als diese Hürde gemeistert war, rief unser größter Kunde einen Pitch aus und ich war für ein komplettes Jahr eingespannt. Wir verteidigten den Etat erfolgreich und wir starteten den dritten Anlauf. Wieder gab es Diskussionen, doch nun ließen wir uns aber nicht mehr vertrösten. Anfang des Jahres bekamen wir die lang ersehnte Zusage für unser Vorhaben. Die genaue Zeit sollte jedoch später noch einmal diskutiert werden. Die Agentur bevorzugte einen Starttermin im Juni. Wir hingegen planten im Februar zu starten, um nicht in die Regenzeit in Laos und Kambodscha zu geraten.

Trotz des offenen Reisebeginns starteten wir mit der groben Routenplanung und einigen Vorbereitungen. Das Wichtigste waren die Impfungen. Glücklicherweise gibt es in München ein hervorragendes Tropeninstitut, das uns sehr gut beriet und in zwei Sitzungen gegen fast alles, was uns in Südostasien hätte töten können, immunisierte. Das Ganze kostete zwar stolze 400€ pro Person, aber das nicht gerade geringe Risiko an Dengue-Fieber oder Japanischer Enzephalitis zu erkranken, bestätigte uns in der Sinnhaftigkeit dieser Investition.

Parallel planten wir eine mögliche Route. Sabrina studierte ihren lonely-planet-Reiseführer, den ich ihr 2017 zu Weihnachten geschenkt hatte und ich orientierte mich an Reisen von Studiosus. So ergab sich erst ein sehr grobes und dann immer präziseres Bild unserer Route. Trotzdem ließ uns der Plan viel Freiraum für spontane Eingebungen. Dies sollte sich gleich zu Beginn unserer Reise als sehr hilfreich erweisen. Wir waren stolz, wie schnell wir diese Vorbereitungen meisterten.

Dennoch hatte ich es mir ursprünglich etwas anders vorgestellt. So ein Abenteuer wollte ich langfristiger planen, mich einlesen und emotional vorbereiten. Aber dafür fehlte die Zeit.

Im Februar kam die Diskussion zu unserer Auszeit erneut auf und wir wurden gebeten, die Reise doch bis Sommer zu verschieben. Nach dreimaliger Absage blieben wir dieses Mal standhaft, denn wir wollten nicht in die Regenzeit kommen Zwei Wochen vor dem geplanten Abreisedatum bekamen wir endlich die definitive Zusage.

So buchten wir ein Last-Minute-Ticket für eine zweimonatige Reise mit dem Rucksack. Jetzt wurde es ernst. Wir deckten uns mit den wichtigsten Reiseaccessoires eines guten Backpackers ein: Mückenspray, Funktionskleidung, Rauch gegen Moskitos und Erste-Hilfe-Material. Parallel feilten wir weiter an unserer Reiseroute.

Für den Start der Reise hatte ich ein schönes YMCA-Hostel im Zentrum Singapurs gebucht. Die zwei Wochen vergingen wie im Flug. Zum Nachdenken blieb kaum Zeit. Lediglich die sorgenvollen Ratschläge meines Vaters machten mich von Tag zu Tag nervöser.

Mit sprichwörtlich letzter Kraft haben wir es dann freitags aus dem Büro geschafft. Ein Tag blieb uns nun noch für die allerletzten Vorbereitungen. Mittlerweile war ich überzeugt, dass wir diese Reise unmöglich überleben werden.

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